heute war ich das erste mal so richtig in der schule. ich habe meine klassenkameraden und meine hauptzuständige lehrerin kennengelernt, habe bücher und hefte bekommen, wurde in listen und register eingeteilt. meine klasse ist die dreizehnte klasse, oberstufe I, und ihr klassenzimmer liegt am ende vom gang im dritten stock. ich wurde von der lehrerin ganz nach hinten gesetzt, neben mir sitzt der aufmüpfigste und burschikoseste aus meiner klasse und wir verstehen uns prima. wir kann hier auch drei menschen heißen, weil er einen eineiigen zwillingsbruder hat, der nicht nur genauso aussieht, riecht und sich anhört wie sein äquivalent, sondern sich auch faaaaaaaast genauso verhält.
ich würde gerne die namen schreiben, kann sie aber noch nich auswendig. aber meine klassenkameraden haben mir eine liste ihrer namen geschrieben, die ich wahrscheinlich verloren habe. unsere klasse hat extra viel unterricht und extra viele mädchen. es treffen neun jungs auf 31 gören – unerhört!
dann musste ich meine neue klasse verlassen und mit der ausländerbetreuerin mitkommen, sie holte frederik und annika (ebenfalls aus deutschland^^) und wir gingen in den aufführungssaal. der sieht aus wie der aufführungssaal in einer stadthalle, nur dass die stühle gepolstert sind. wir gingen hinter die bühne. dort trafen wir die gleiche, übermotivierte lehrerin, die sich carol nennt (ich musste an christmas carols denken, für mich trägt sie immer eine weihnachtsmütze auf dem kopf!) und uns am vorigen tag schon am gleichen ort getroffen hat um uns mitzuteilen, dass wir bei der eröffnungszeremonie des neuen schuljahres auf die bühne treten würden und von den zwei moderatoren (ein knabe, ein mädel) befragt werden würden.
wir sollten uns lediglich vorstellen und kulturelle unterschiede (BRD-VR CHINA usw...) nennen, das schien mir aber zu schwierig, annika und frederik waren der gleichen meinung und wir änderten die zweite frage. also fragen sie uns ob wir „ni hao", „xiexie" und „zaijian" ins deutsche übersetzen können. vom vorigen tag auf heute habe ich mir ein paar sätze ausgedacht und auswendig geübt. mein gastbruder half mir dabei, schließlich ist aussprache besser mit einem muttersprachler lernbar.
letzte nacht konnte ich nicht durchschlafen, das war aber nicht schlimm, in einer mitternachtsstunde laß ich den „Steppenwolf" von Hermann Hesse und wie könnte ich sagen, dass wäre dem schlafe nicht gleichwert, wenn nicht mehr! und heute war dann die eröffnungszeremonie.
die aufregung war ok, ich war schon oft genug auf der bühne, und obwohl frederik mir einreden wollte, ich würde alle meine sätze vergessen, war ich mir sicher das würde nicht passieren, schließlich hatte ich frau pfeiffer im oberstufentheater!wir setzten uns in den saal, der wie im kino eine schräge bildete, nur größer war als ein kinosaal.die schülerschaften trafen ein und setzten sich. kaum einer sprach; mein sitznachbar frederik und ich fanden das merkwürdig, da ansonsten die chinesen so laut sind, wenn in gemeindschaft. wir saßen ganz vorne links (vom publikum aus gesehen, natürlich^^) und blickten auf die bühne.
und schon kamen die moderatoren und begrüßten das publikum und einander mit einleitungsgelaber. dann passierte folgendes:ehe die nationalhymne von allen seiten her aus den lautsprechern schallt, stehen alle auf, die frauen lassen einen arm hängen und fassen sich mit dem linken an den ellenbogen des rechten armes, fest auf beiden beinen stehend. die jungs hingegen stehen mit erhobener brust und beiden armen an der seite der oberkörpers nach unten gestreckt und blicken alle mit einem leeren, maskenhaften blick in die gleiche richtung. ich stehe ebenfalls und beobachte.
dann hört die musik auf und alles setzt sich. als nächstes kündigt die moderation die folgenden videos an, welche auf zwei fünfmaldreimeter projektionsflächen geworfen werden. das erste zeigt, die schönheit der schule und des transportsystems, denke ich, ich konnte nicht wirklich denn sinn erkennen... das zweite beginnt mit klatschen und trommeln, später setzt eine e-gitarre ein. die bilder zeigen meine mitschüler bei dem militärtraining, das sie eine woche lang absolviert haben. da stehen sie alle und blicken mit dem gleichen leeren blick wie bei der nationalhymne alle in eine richtung, angeschrien von einem kommandanten.
alle möglichen tricks haben sie, angeschrien von irgendwelchen unfreundlich dreinblickenden männern mit mützen, aufgeführt. zuletzt marschieren sie alle im stechschritt in ihren grünen camouflage kostümen auf den sportplatz ein. interessant, was man für geh-arten in nur einer woche lernen kann! was für harte kämpfer sie sind, wenn sie alle ähnlich stehen können! (camouflage is so out^^)endlich ist das video vorbei, dann kommt wieder das duo auf die bühne und redet. dann kommt ein lehrer, vermute ich, auf die bühne und redet unfreundlich ins mikro. jetzt wird ein video gespielt, dass zuerst den morgendlichen aufmarsch von soldaten auf dem t23ian2387964an2348074m234e3948n platz zeigt, dann die olympischen spiele in beijing. es kommen diese melodien, die immer kommen, wenn irgendwas von den spielen handelt.
kennt ihr sie? (kommentarfunktion!!) und nun steigen, wie ich später herausgefunden habe, die „leader" auf die bühne, die besten schüler, die die vorsitzenden der schulclubs sind. sie durften nach beijing fahren und sich ein paar veranstaltungen anschauen. ihr wisst ja schon wie das publikum zusammengesetzt wurde, also könnt ihr euch denken, was für eine ehre es für diese schüler gewesen sein muss. während das video spielt stehen sie alle in schuluniform auf der bühne in einer reihen, wenn der film zu ende ist, beginnen sie von den spielen zu erzählen. abwechselnd gibt es monologe.
schließlich kommt wieder die moderation und sagt einen ihrer dialoge auf und dann „Let's welcome", das stichwort für annika, frederik und mich, aufzustehen und auf die bühne zu gehen. ich war schon oft genug auf der bühne um dynamisch auf die bühne zu gehen und motiviert zu lächeln, obwohl ich in diesem moment ein ungekanntes gefühl hatte: aufregung völlig durchdrungen von angst. die tatsache, dass ich vor mehr als 1500 eliteschülern einer der besten schulen shanghais und damit ganz chinas, vor den wichtigsten lehrern und verwaltungsleuten und vielleicht vor ein oder zwei kadern auf der bühne stand und mich vorstellen sollte, über shanghai und meine gründe das austauschjahr zu machen reden sollte – das wurde mir in seiner ganzheit und wucht bewusst und ich wurde vom moment erfasst.
es war krass. ich hatte noch nie so viel angst auf einer bühne. denn alle schweigen ja und schauen auf dich. du musst auf deine ausprache peinlichst genau achten, ein ton falsch und du sagst irgendwelchen stuss... und vergessen darfst du auch nichts. ich beginne mit einer begrüßung und der saal grüßt zurück. ich beginne mich vorzustellen, ich rede chinesisch und dann kommt ein merkwürdiges problem. ich muss auf mein gleichgewicht achten! meine füße zittern so stark, mein ganzer körper und meine hand zittern – ja nicht irgendwie kippeln!! und natürlich weiterreden.... es hat geklappt, das kann ich sagen!
hab nichts vergessen, alles richtig ausgesprochen und bin nicht umgefallen. man ist selten stolz auf sich selber, doch heute bin ich es. später gabs komplimente von mehreren leuten und falls die ganze veranstaltung auf video aufgezeichnet wurde, werde ich mir ein tape geben lassen. die veranstaltung ging noch eine weile weiter – ich kann mich aber nicht daran erinnern. zu groß war meine erleichterung. ich war heilfroh.